Pflanzen der Monats 2022

Mai

Dezember: Weihnachtsbaum mit Imageproblem

Elegante Nadeln und ein ansprechendes Grün – wer Angst vor «Nadelfall» in der heimischen Stube hat, geniesst den Baum am besten nachhaltig in der freien Natur. Foto: Adrian Möhl

Die Liste der Bewerbungen für die Pflanze des Monats war lang: Es duellierten sich leuchtende Akanthusgewächse mit bizarren Blumennesseln, rotgrün gemusterte Orchi-deen versuchten nicht weniger festlich glitzernde, exotische Blüten auszustechen. Schliesslich hat eine Pflanze gewonnen, mit welcher niemand gerechnet hatte: Die gewöhnliche Fichte mitten im Alpinum.

Weihnachtsbaum mit Imageproblem

Die Rottanne geniesst nicht den besten Ruf und wird oft mit öden Aufforstungen im Mittelland assoziiert. Lange Zeit war sie der Wirtschaftsbaum schlechthin: Ihr Holz ist sehr begehrt und ihr Wachstum schnell. Deshalb wird diese Baumart seit langem schon auch ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes grossflächig angebaut. Ursprünglich waren Fichten im hohen Norden und in den höheren Lagen der Alpen verbreitet. Heiss und trocken mag sie es nicht. Deshalb ist die Art in Zeiten von Klimawandel in der Forstwirtschaft kaum mehr gefragt und wird zunehmend durch die trockenresistentere Douglasie ersetzt. Auch als Weihnachtsbaum sind ihre besten Zeiten vorbei. War die Fichte noch bis in die 1960er Jahre die beliebteste Baumart in den weihnächtlichen Wohnstuben, so wurde sie bald von Weiss- und Nordmannstanne ersetzt. Diese lassen die Nadeln in den geheizten Stuben weniger schnell fallen und eroberten die weihnachtlichen Gemüter mit schönem Blattwerk im Sturm.

Geschichten für lange Winternächte

Kaum ein zweiter Baum hat ähnlich viele Geschichten auf Lager wie die Fichte. Der grösste europäische Baum? Die Fichte! (gemeinsam mit der Weisstanne). Der älteste lebende Klonbaum der Erde? – natürlich eine Fichte! Infekte der Atemwege und rheumatische Beschwerden? Können mit Fichtennadelöl behandelt werden. Harzig-zitroniges Aroma für die Butter am Weihnachtsbuffet gewünscht? Ein paar fein gehackte Triebspitzen machen es möglich. Quelle des ersten synthetisierten Vanillearomas? Natürlich auch die Fichte. Über diesen Baum, so unscheinbar er uns erscheinen mag, lassen sich viele Geschichten erzählen – Geschichten die in lange Winternächte passen.

November: Echter Zuckerbusch

Blüht im düsteren November – der südafrikanische Zuckerbusch (Protea repens). Foto: Flavia Castelberg

Fast scheint es, sie hätten sich zur Eröffnung des Gondwanahauses besonders hübsch gemacht – auf jeden Fall blühen die Zuckerbüsche seit Herbstbeginn auffällig schön im neu eröffneten Schauhaus.

Vielgestaltig wie ein griechischer Gott

Die Familie der Zuckerbüsche (Proteaceae) ist eine typische Gondwanafamilie. Sie ist nämlich fast ausschliesslich auf den Kontinenten der Südhemisphäre verbreitet, jenen Erdteilen, die aus dem ehemaligen Grosskontinent Gondwana entstanden sind. Schon der berühmte Botaniker Linnaeus hatte erkannt, dass die Proteaceen eine sehr vielgestaltige Gruppe ist und hat sie deshalb nach dem griechischen Gott Proteus benannt. So wie Proteus einst als Robbe, Wasser, Luft oder Feuer erschienen ist, so erinnern die Blütenstände der Proteaceen manchmal an Artischocken, Pinienzapfen, extravagante Designergegenstände oder filigrane Heidekräuter. Es gibt kaum eine zweite Familie, die so ausgesprochen unterschiedliche Blütenstände ausbildet – und dabei so ähnlich Einzelblüten hat (was als «Blüten» erscheint, sind in Wirklichkeit dutzende Einzelblüten, die in auffälligen Blütenständen zusammengezogen sind).   

Süsse Sache

Viele Vertreter der Proteaceen sind vogelbestäubt und locken die Bestäuber meist mit süssem Zuckersaft an. Im südlichen Afrika werden sie deshalb liebevoll Suikerbossie, Zuckerbüschchen, genannt. Beim Echten Zuckerbusch (Protea repens) ist die Nektarproduktion sogar so gross, dass man früher den Nektar gesammelt und ihn als Sirup, ähnlich wie Ahornsirup, verwendet hat. Selbst wenn die rosafarbenen Blütenstände verblüht sind, behält er seine süsse Seite. Die Fruchtstände erinnern dann an Eiscornets, was der Pflanze zu einem weiteren süssen Namen, dem «ice-cream cone bush» verholfen hat. Wer die Blütezeit verpasst, kann sich also an kopfstehenden Cornets erfreuen.   

Novemberglück

Im Gondwanahaus wachsen zahlreiche Vertreter der faszinierenden Familie der Proteaceen. Banksien, Grevilleen oder Zapfenbüsche finden sich im ganzen Haus – sie im düsteren November im neuen Gondwanahaus zu suchen, ist ein echtes Novemberglück.

Oktober: Rohrkolbenartige Fackellilie

Dezente Schokoladentöne und elegante Blütenstände: Vor dem Gondwanahaus blühen im Oktober die schlichten Rohr-kobenartigen Fackellilien (Kniphofia typhoides) Foto: Adrian Möhl

Blühender Rohrkolben mitten im Herbst? Das wäre doch schon sehr seltsam. Rohrkolben (die Gattung Typha) kennt, wer gerne an See und Fluss spazieren geht. Die Uferpflanzen mit ihren eigentümlichen Blütenständen sind in der Schweiz weit verbreitet. Fackellilien aus Afrika (Gattung Kniphofia) mit den üppigen und farbigen Blütenständen sind besonders Zierpflanzenliebhaber:innen bekannt.

Stilvolle Bescheidenheit

Die Rohrkolbenartige Fackellilie fällt in ihrer Gattung aus der Reihe. Tatsächlich erinnern die Blütenstände eher an Rohrkolben als an brennende Fackeln. Eine abgebrannte Fackel also? Nein, denn wer sich die Blütenstände etwas genauer anschaut, wird an den schokoladenfarbenen Blüten mit ihrer Eleganz und Bescheidenheit Gefallen finden. Sie können es auf jeden Fall ihren knallig bunten Verwandten aufnehmen.

Kein Vogelfutter

Während die rot-, orange- und gelbblühenden Fackellilien von Nektarvögeln bestäubt werden, so sind es vor allem Bienen, Hummeln und weitere Insekten, welche die schokoladenfarbigen «Fackeln» besuchen. Vogelbestäubte Arten haben meist grosse und auffällige Blüten, weil Vögel Rottöne besonders gut wahrnehmen und bei grosse Blüten besonders gut an den Nektar gelangen. Die Heimat der aktuellen Pflanze des Monats sind die Bergwiesen der Drakensberge im südöstlichen Afrika und dort sind Insekten vielleicht die zuverlässigeren Bestäuber und wohl deshalb haben sich die Pflanzen im Laufe der Evolution an diese Tiergruppe angepasst – und blühen nun dezent braun.

Herbstblüher

In Bern blüht die Rohrkolbenartige Fackellilie im Herbst. Das tut sie auch in ihrer gebirgigen afrikanischen Heimat. Mit dem Unterschied, dass der Herbst dort von Februar bis April dauert. Die Pflanze hat ihren lichtregulierten Rhythmus beibehalten: Wenn die Tage kürzer werden, öffnen sich ihre dezenten Blütenstände. Dann sind ein schokoladenbrauner Trost, wenn die Wintermonate vor der Tür stehen.

September: Kleefarn - glücklich, wer in findet!

Kleefarn (Marsilea quadrifolia)
Wenn sich die Blätter aufrollen, erinnert der Kleefarn (Marsilea quadrifolia) an seine Verwandten, die Farne. Gut zu sehen sind hier auch die bohnenförmigen Kapseln, in denen sich die Sporten entwickeln. Foto: Adrian Möhl

Was ist das? Ein ganzer Trog voller vierblättriger Kleeblätter? Sollte ich wohl auf die Quelle des ewigen Glücks gestossen sein? Dies mag sich fragen, wer im Spätsommer den Trog neben dem grossen Teich genauer anschaut.

Kein Klee, ein Farn

Kleefarne haben systematisch nichts mit den hierzulande häufig vorkommenden Rotklee zu tun. Klee-Arten (Gattung Trifolium) haben dreizählige Blätter. Ein vierblättriges Kleeblatt gilt als Seltenheit und ist deshalb sehr begehrt. Auf den ersten, oberflächlichen Blick ist die Ähnlichkeit des Kleefarns (Marsilea quadrifolia) mit einem vierblättrigen Rotkleeblatt aber verblüffend.

Blüten sucht man beim Kleefarn vergebens. Kleefarne gehören nämlich zu den echten Farnen, sind also Sporenpflanzen und in der Evolution weit vor den Blütenpflanzen entstanden. Er vermehrt sich über Sporen, die sich in bohnenförmigen Kapseln in der Wurzelgegend befinden.

Glücklich, wer ihn findet…

Wer in der Schweiz einen Kleefarn findet, ist ein echter Glückspilz. Der Kleefarn ist eine sehr seltene Art der einheimischen Flora und ihn zu finden ist weit schwieriger, als ein Vierblättriges Rotkleeblatt zu entdecken.

Seine Bestände sind in den letzten hundert Jahren so stark zurückgegangen sind, dass er heute vom Aussterben bedroht ist. Als Bewohner von regelmässig trockenfallenden Tümpeln fehlen ihm zunehmend die geeigneten Biotope. Kleinere Vorkommen gibt es heute noch in der Ajoie, dem Südtessin und dem Seeland, wobei es sich hier in den meisten Fällen um Ansiedlungen handelt. Der Botanische Garten Bern beteiligt sich an ex-situ-Projekten für den Kleefarn und trägt mit seiner Kultur zum Erhalt dieser Art bei.

Mehr Glück weltweit?

Kleefarne gibt es auch anderswo: weltweit zählt man in der Gattung der Kleefarne bis zu 70 verschiedene Arten, von welchen einige viel weniger selten und weit verbreitet sind.

August: Zweijährige Nachtkerze 

Blüte der Zweijährigen Nachtkerze (Oenothera biennis)
Meist ist in den Morgenstunden nur noch wenig von ihrer nächtlichen Schönheit zu erahnen: Die Blüte der Zweijährigen Nachtkerze (Oenothera biennis). Foto: Katja Rembold

Das Schauspiel könnte man sich jeden Abend zu Gemüte führen: Wenn im August die Dunkelheit langsam das Land in die Hand nimmt, dann explodieren die dicken Blütenknospen der Nachtkerzen förmlich und die grossen, hellen Blüten öffnen sich. Es soll Leute geben, die das Spektakel allabendlich verfolgen, Decken in den Garten schleppen und das Schauspiel dem Fernsehflimmern vorziehen. Auch in der Berner Blumenuhr lässt sich das Spektakel beim allabendlichen Eindunkeln verfolgen.

Weidenröschen und Schinkenwurzel

Nachtkerzen gehören der gleichen Pflanzenfamilie wie die ebenfalls gut bekannten Weidenröschen oder die Fuchsien an. Während Letztere vor allem von tagfliegenden Insekten bestäubt werden, so sind die nachtblühenden Oenothera-Arten bei Nachtfaltern und Schwärmern beliebt. Unsere Pflanze des Monats ist zweijährig - im ersten Jahr erscheint zunächst eine Rosette und eine dicke Speicherwurzel. Im zweiten Jahr blüht sie dann, produziert viele Samen und stirbt ab. Die fleischigen Wurzeln diese Art sind rosafarben und essbar - Schinkenwurzel wird die Art deshalb manchmal auch genannt. Wie gut sie schmecken, darüber liesse sich aber lange diskutieren.

Gekommen, um zu bleiben

Auch wenn viele Leute glauben, dass Nachtkerzen einheimisch sind, so gehören sie zu den Neophyten, also zu den Arten, die nach der Entdeckung von Amerika bei uns eingeführt wurden. Ursprünglich stammt sie aus dem östlichen und zentralen Nordamerika – spätestens seit dem 17. Jahrhundert wurde sie aber als beliebte Gartenpflanze überall in Europa und Asien angepflanzt. Oft ist sie aus den Gärten ausgebüxt, so dass sie heute vielerorts als Teil der einheimischen Flora angeschaut wird. Bisher ist die Zweijährige Nachtkerze nicht als problematische invasive Art aufgefallen. Mancherorts wir die Zweijährige Nachtkerze auch felderweise angebaut, da man aus ihren Samen ein wertvolles, fettes Öl gewinnen kann, welches in der Kosmetikindustrie Verwendung findet.

Juli: Echtes Tausendgüldenkraut 

Echtes Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea Rafn)
Sonnenanbeter und Käferliebling: das Tausendgüldenkraut (Centaurium erythraea) Foto: Adrian Möhl

In Bern soll man ihm traditionell «Himmelsblüemli» sagen, auch wenn dieser Name heute wohl kaum jemand mehr kennt. Vielleicht stammt diese Bezeichnung daher, dass das mit offiziellem Name bekannte Echte Tausendgüldenkraut bei klarem Wetter ihre Blüten gerne dem Himmel entgegenstreckt. Gerade häufig kriegt man das Enziangewächs mit den leuchtenden rosafarbenen Blüten leider auch nicht zu sehen – im Moment blüht es aber prächtig in der Blumenuhr.

Ein bitterer Geselle mit vielen Namen

Während es bei uns nur zwei einheimische Tausendgüldenkräuter gibt, so ist die Gattung, welche ca. 20 Arten umfasst, besonders im Mittelmeergebiet gut vertreten. Alle haben bittere Inhaltstoffe, für welche sie schon seit dem Altertum zum Lindern von Leberbeschwerden oder bei Appetitlosigkeit eingesetzt wurde. Auch heute noch ist der Extrakt von Tausendgüldenkraut beliebt in Magenbitter. Viele deutsche Volksamen zeugen von dieser Verwendung: Bitterkraut, Magenkraut, Erdgalle oder Wundkraut sind nur einige Beispiele, welche auf die Verwendung dieser Art hinweisen. Wer die hübsche Pflanze auf einer Wanderung sehen möchte, findet sie am ehesten in einer Trockenwiese am Jura-Südfuss.

Sonnenliebhaber und Käferliebling

Die Blüten des Echten Tausendgüldenkrauts sind in den Mittagsstunden voll geöffnet – hier offenbart sich die südliche Heimat unserer Pflanze. Es scheint vor allem die Wärme zu sein, welche dafür sorgt, dass sich die fünfzipfligen Blütenkronen öffnen – bei Temperaturen unter 16° hilft auch gutes Zureden nichts und die Blüten bleiben geschlossen. Nektar bietet das Tausendgüldenkraut nicht an, dafür hält es die Bestäuber mit Pollen und angeblich mit «anbohrbarem Gewebe» bei Laune. Diese weicheren Teile der Blüten scheinen bei Insekten aus Zubrot beliebt zu sein. Besonders Schwebefliegen und Käfer besuchen die leuchtenden Blüten gerne. Wer die Bestäuber bei der Arbeit beobachten will, setzt sich am besten bei schönem Wetter über Mittag zur Blumenuhr.  

Juni: Sutherlands Mittagsblume

Sutherlands Mittagsblume (Delosperma sutherlandii)
Sutherlands Mittagsblume (Delosperma sutherlandii) Foto: Adrian Möhl

Mittagsblume – treffender könnte man es nicht formulieren! Ganz besonders passend ist dieser Name bei der Art, welche im Monat Juni in der Blumenuhr auf der Liegewiese zu sehen ist: der Sutherland Mittagsblume. Um die Mittagsstunden sind ihre leuchtend violett-rosafarbenen Blüten voll geöffnet und locken eifrige Bienen und andere Bestäuber an. Dann möchte man es ihnen am liebsten gleichtun und in der bunten Blütenblätterpracht nach Nektar tauchen.

Eine schrecklich komplizierte Familie

Mittagsblumen gehören in die grosse Familie der Eispflanzen (Aizoaceae). Wer glaubt, dass diese in eisigen Gefilden zu finden sind, liegt falsch. Vielmehr finden sie sich vorwiegend auf der Südhalbkugel und meist in trockenen, wüstenartigen Gefilden. Den Namen «Eispflanzen» haben sie von den Papillen, welche bei vielen Arten die Oberfläche der Blätter bedecken und in der Sonne wie Eiskristalle glänzen. Die Blätter sind bei fast allen Arten sukkulent und werden als Wasserspeicher genutzt. Früher wurden die Mittagsblumen als eigene Familie geführt bis man herausgefunden hat, dass sie in die grosse Familie der Eispflanzen einzufügen sind. Wenn man es auch geschafft hat, Ordnung in die Familie als Ganzes zu bringen, so herrscht innerhalb der Familie immer noch ein grosses Durcheinander. Denn auch mit modernen molekularen Methoden lassen sich Mittagsblumen schlecht ordnen. Die Tatsache, dass in der Natur jährlich neue Arten entdeckt werden, ist dabei wenig hilfreich.

Südafrikanerin mit offenen Samen

Delosperma leitet sich vom griechischen delos für „offen“ sowie sperma für „Samen“ ab. Der Gattungsname verweist somit darauf, dass die Samen in den geöffneten Kapseln sichtbar sind. Mittagsblumen öffnen ihre Kapseln wenn sie nass werden und wer sie bestimmen will, muss die trockenen Kapseln in den Mund stecken – so werden sie vom Speichel feucht und anhand des Musters lässt sich erkennen, zu welcher Gattung sie gehören. Die Art in der Blumenuhr stammt aus Südafrika, wo sie in den Grasländern im Osten auf Quarzit vorkommt.

Mai: Silikat-Glocken-Enzian

Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis L.) mit olivgrünen Flecken in der Blütenglocke.
Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis L.) mit olivgrünen Flecken in der Blütenglocke. Foto: Katja Rembold

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis L.) wird auch oft als Stängelloser Enzian bezeichnet, was der Übersetzung des wissenschaftlichen Namens entspricht. Er gehört zur gleichnamigen Familie der Enziangewächse (Gentianaceae) und kommt in Mittel- und Südeuropa in Höhenlagen von 800-3000m vor.

Verwechslungsgefahr

Leicht könnte man den Silikat-Glocken-Enzian mit dem Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii) verwechseln. Beide sehen sich auf den ersten Blick sehr ähnlich, aber es sind ökologisch vikariierende Arten, also nahe verwandte Arten, die an unterschiedlichen Standorten vorkommen. Ihre bevorzugten Standorte sind namensgebend beim jeweiligen deutschen Namen: Der Silikat-Glocken-Enzian bevorzugt saure Silikatböden und der Kalk-Glocken-Enzian ist an kalkhaltige Böden gebunden. Man erkennt den Silikat-Glocken-Enzian gut an den fünf olivgrünen Flecken im Inneren der Blütenglocke. Ein weiteres Erkennungsmerkmal sind seine Kelchzipfel, die an der Basis eingeschnürt sind und nicht spitz zulaufend wie beim Kalk-Glocken-Enzian.

Sonnenanbeter

Besonders Hummeln und Schmetterlinge bestäuben den Silikat-Glocken-Enzian. Bei Sonnenschein öffnet er seine Blüten tagsüber, wenn diese Bestäuber aktiv sind. Nachts und bei schlechtem Wetter bleiben seine Blüten geschlossen, denn dann ist die Wahrscheinlichkeit gering, bestäubt zu werden und es besteht die Gefahr, dass Nektar und Pollen vom Regen weggewaschen werden. Zudem schützen die geschlossenen Blüten das Blüteninnere vor Frost und Hagel.

Viertel-vor-Enzian

Wegen seiner Blütenbewegungen ist der Silikat-Glocken-Enzian ab dem 13. Mai auch in der Blumenuhr auf der grossen Liegewiese zu sehen. Wenn die Sonne scheint, sind seine Blüten von 06-20 Uhr geöffnet.

April: Gewöhnlicher Judasbaum

Pinke Blüten am mehrjährigen Holz vom Gewöhnliche Judasbaum (Cercis siliquastrum L.) Foto: Katja Rembold
Pinke Blüten am mehrjährigen Holz vom Gewöhnliche Judas-baum (Cercis siliquastrum L.) Foto: Katja Rembold

Wie Erbsen und Bohnen gehört der Gewöhnliche Judasbaum (Cercis siliquastrum L.)  in die Familie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae). Die Blüten bestehen aus einem grossen Blütenblatt, der «Fahne», zwei seitlichen, kleinen Blütenblättern, den «Flügeln», und zwei weiteren zusammengewachsenen Blütenblättern, die das «Schiffchen» bilden. Blütenformen also, wie wir sie aus den Gemüsebeeten kennen. Der Gewöhnliche Judasbaum ist von Südeuropa bis Vorderasien heimisch.

Blüten direkt am Holz

Der Judasbaum ist eines der wenigen europäischen Gehölze, welches die Blütenstände direkt am Holz trägt. Diese Kauliflorie kommt fast nur bei tropischen Pflanzenfamilien vor. Beim Gewöhnlichen Judasbaum wachsen die pinken Blüten in Büscheln am Stamm und mehrjährigen Ästen, wo nach erfolgreicher Bestäubung rötlich-braune Hülsenfrüchte wachsen. Die Blüten erscheinen vor den rundlichen Blättern.

Biblischer Name

Zum deutschen Name «Judasbaum» gibt es viele Legenden. Eine davon besagt, dass sich Judas nach dem Verrat an Jesus an einem solchen Baum erhängt haben soll, worauf sich die Blüten vor Scham rot verfärbten.

Vielseitiger Nutzen

Die beliebte Zierpflanze wird in Gärten wegen ihrer Schönheit, aber auch als Futterpflanze für Honigbienen gerne gepflanzt. Wir Menschen können die süsslich-sauren Blüten z.B. in Salaten essen und die Blütenknospen eingelegt als Gewürz verwenden. Der Gewöhnliche Judasbaum bietet aber noch viel mehr: In der Türkei dienen die Blüte als Antiseptikum, im Iran werden Blatt-Extrakte bei Malaria, Anämie und Stress eingesetzt, in Syrien sind Blütenessenz Teil eines verdauungsfördernden und antiseptischen Tees und auch in Palästina ist der Judasbaum eine vielseitig eingesetzte, traditionelle Heilpflanze. Eine wissenschaftliche Studie von 2019 hat nachgewiesen, dass Blüten- und Blattextrakte antimikrobielle und antioxidative Eigenschaften besitzen und den DNA-Zyklus von Brustkrebs hemmen können. Die Möglichkeit ein solches Extrakt im Kampf gegen Brustkrebs einzusetzen wird momentan weiter erforscht.

Der Gewöhnliche Judasbaum ist im Freiland beim Mittelmeergebiet und beim Heilpflanzengarten zu finden.

März: Seerosen-Tulpe

Seerosen-Tulpe (Tulipa kaufmanniana REGEL)
Seerosen-Tulpe (Tulipa kaufmanniana REGEL) im Steppenhaus. Foto: Katja Rembold

Den Startschuss zum jährlichen Blütenmeer im Steppenhaus macht die Seerosen-Tulpe (Tulipa kaufmanniana Regel). Sie stammt aus dem Gebirge des östlichen Taschkents sowie Taboschar. Im Steppenhaus blühen von März bis April über 40 verschiedene Tulpenarten. Das Hauptverbreitungsgebiet der ca. 150 bekannten Tulpen-Wildarten liegt im östlichen Mittelmeerraum und in Zentralasien. Im Steppenhaus werden Tulpen der asiatischen Steppen gezeigt. Tulpen also, die mit kalten, rauen Wintern, milden, feuchten Frühlingen und trockenen Sommern zurechtkommen.

Vielschichtige Zwiebeln

Eine Tulpenzwiebel ist eine in verdickte Blätter verpackte Knospe. Gut versorgt durch die Nährstoffvorräte in den Zwiebelblättern wächst im Frühling aus der Knospe in rasantem Tempo eine Tulpe heran. Sie will möglichst viel Photosynthese betreiben, bevor die Sommertrockenheit die Pflanze zum Rückzug ins Erdreich zwingt. Sie kann so neue Tochterzwiebeln produzieren, die die trockenen Sommer und rauen Winter geschützt unter der Erde verbringen.

Bunte Turbane

Es lässt sich kaum bestreiten, dass die Blüten mit ihren knalligen Farben und der zylinderartigen Form an eine turban-ähnliche Kopfbedeckung erinnern. So stammt denn auch der Name je nach Quelle vom türkischen «Tülbent» oder dem persischen «Dulbant» ab, was so viel wie Turban bedeutet.

Tulipomanie

Um 1570 kam die erste Tulpenzwiebel nach Holland und löste eine regelrechte Tulipomanie aus, die im frühen 17. Jh. nahezu groteske Formen annahm. Es wurden Tulpen in verschiedensten Farben gezüchtet – besonders beliebt waren durch das Tabakmosaikvirus hervorgerufene flammenartige Farbverläufe, die nicht nachgezüchtet werden konnten. Zum Höhepunkt bezahlte man für einige Tulpenzwiebeln fast dreimal so viel wie für ein Haus. Dies war kein nachhaltiges Geschäft und führte zur ersten Spekulationsblase der Geschichte. Die Beliebtheit der Tulpen ist bis heute ungebrochen – mittlerweile gibt es über 4000 gezüchtete Sorten.

Februar: Kleines Schneeglöckchen

Galanthus nivalis (Kleines Schneeglöckchen)
Die grüne Zeichnung auf den inneren Blütenblättern ist ein wichtiges Merkmal für die Bestimmung der sehr ähnlichen Schneeglöckchen-Arten und -Sorten. Foto: Silvan Glauser

Das Kleine Schneeglöckchen (Galanthus nivalis L.), ein zu den Amaryllisgewächsen gehörender Winterblüher, zeigt seine weissen, frostharten Blüten in milden Wintern einzeln bereits im Dezember oder Januar. Spätestens im Februar bilden sie in den Wiesen des BOGA während der ersten milderen Tagen spektakuläre weisse Teppiche und sind so erste Boten eines nahenden Frühlings.

Erstes Futter für Frühaufsteher

Dank der frühen Blühphase ist das Kleine Schneeglöckchen für die ersten Insekten des Jahres eine wichtige Nahrungsquelle. Interessant ist, wie sie den Weg zur Nahrung finden: Die Blüten sind dank starker UV-Reflektion auch im Schnee erkennbar. Bei der Blüte angekommen, duften die inneren Blütenblätter stärker als die äusseren, was den Insekten den Weg zu Nektar und Pollen weist.

Wertvolle Züchtungen

Schneeglöckchen sind beliebte Zierpflanzen. Obwohl es nur 20 natürliche Arten gibt, existieren heute, je nach Quelle, zwischen 500-1000 gezüchtete Sorten. Die Sorten unterscheiden sich durch die grüne Zeichnung auf den Blütenblättern, die Füllung der Blüten oder deren Färbung. Die wertvollste Schneeglöckchen-Sorte ist Galanthus woronowii ‘Elizabeth Harrison’. Eine Zwiebel dieser Sorte wurde im Jahr 2012 für 1050.- ersteigert.

Geschützte Schönheit

Das Kleine Schneeglöckchen ist in Mittel- und Südeuropa bis Westasien verbreitet und in Mitteleuropa die einzige natürliche Schneeglöckchen-Art. Die natürlichen Vorkommen der beliebten Zierpflanze sind kleiner als man denkt, sieht man sie und ihre Sorten doch im Frühling in jeder Garten- und Parkanlage. Obwohl das Kleine Schneeglöckchen momentan nicht vom Aussterben bedroht ist, wird der Handel mittels CITES1 kontrolliert. Dies schützt die natürlichen Vorkommen vor Ausbeutung durch den intensiven Handel.  

Gegen Demenz

Das Kleine Schneeglöckchen enthält für den Menschen giftige Alkaloide. Das Alkaloid Galanthamin ist jedoch auch ein Heilmittel, welches das Fortschreiten von Demenz und Alzheimer aufhalten kann.

Januar: Winterblüte

Winterblüte (Chimonanthus praecox (L.) LINK)
Die hängenden Blüten der Winterblüte (Chimonanthus praecox (L.) LINK) an den kahlen Ästen. Foto: Katja Rembold

Die Winterblüte (Chimonanthus praecox (L.) Link) stammt aus den Bergwäldern Chinas. Von dort wurde sie als Zier- und Heilpflanze nach Japan und Korea gebracht. Später gelangte sie auch nach Amerika und Australien und Mitte des 18. Jahrhunderts wurde sie nach Europa gebracht.

Blütenpracht mitten im kalten Winter

Die Winterblüte behält ihr Herbstlaub bis spät in den Winter hinein und wirft ihr Laub erst im Dezember oder Januar ab. Kurz darauf erscheinen an den kahlen Ästen die zierlichen, hängenden Blüten. Diese «Winterbluescht» bleibt bis kurz vor dem Austrieb der neuen Blätter im März erhalten. Auf die Blüten, die im Winter erscheinen, weisst auch der wissenschaftliche Name hin. So heisst «cheimon» Winter und «anthos» Blüte. Und «praecox», was so viel wie «vorzeitig» heisst, deutet auf das Erscheinen der Blüten vor den Blättern hin.

Zitronig, würzig und doch süss!

Die Blütenblätter der kleinen und eher unauffälligen Blüten sind aussen gelblich-weiss und innen purpurn geadert. Der Strauch fällt aber weniger durch seine Blüten auf, sondern vielmehr durch deren angenehmen, süsslichen Duft. Er besteht aus mehr als 30 verschiedenen Duftmolekülen. Durch die komplexe Zusammensetzung ist der Duft kaum mit einem anderen zu vergleichen. Er ist ein spannendes und gut ausgeglichenes Spiel aus Süsse, zitroniger Säure und einer gewissen Würze. Besonders an sonnigen Tagen steigt er bereits beim Vorbeigehen in die Nase. So lockt er auch die wenigen Insekten an, die im Winter an den sonnigen Tagen unterwegs sind. Diesen bietet er eine wertvolle Nahrungsquelle und wird im Gegenzug von ihnen bestäubt.

Heilender Duft gegen den Winterblues

Der angenehme Duft der Blüten wird in der Parfumindustrie genutzt und in Form eines ätherischen Öls soll er bei depressiven Verstimmungen helfen. Als Tee werden die Blüten in China und Japan gegen verschiedenste Beschwerden, wie zum Beispiel Erkältungen, als Heilpflanze eingesetzt. Ganz besonders lecker soll ein Tee aus denjenigen Blüten sein, deren innere Blütenblätter nur wenig purpurn verfärbt sind.