Pflanze des Monats 2023

Mai

Dezember: Langlebige Kiefer (Pinus longaeva (D.K. BAILEY))

Langlebige Kiefer (𝘗𝘪𝘯𝘶𝘴 𝘭𝘰𝘯𝘨𝘢𝘦𝘷𝘢)
Keine wird älter: Den hübschen, blaugrünen Nadeln der Lang-lebigen Kiefer sieht man nicht an, dass sie einer Rekordhalterin angehören. Foto: Adrian Möhl

Dezember ist der Monat der Nadelbäume. Wenn die meisten anderen Bäume ihr Blattwerk verloren haben, kommen die Kieferngewächse, zu denen auch die nun wieder aktuellen Weihnachtsbäume gehören, besonders schön zur Geltung. Die Langlebige Kiefer (Pinus longaeva) eignet sich allerdings überhaupt nicht als Weihnachtsbaum, denn dafür ist sie viel zu langsam wachsend und zu kostbar. Im ersten Schnee im Dezember ist sie jeweils am schönsten!

Föhren und ein Methusalem

Föhren, manchen bekannt als Kiefern, gehören der Gattung mit dem wissenschaftlichen Namen Pinus an. Weltweit gibt es über hundert Arten, von Europa, über Amerika bis zu den Philippinen. Einheimische Vertreter, wie etwa die Waldföhre (Pinus sylvestris) oder die Arve (Pinus cembra), erfreuen sich grosser Bekanntheit. In Nordamerika findet sich eine auffällig grosse Vielfalt an Pinus-Arten, darunter auch die Langlebige Kiefer. Diese kommt in Kalifornien, Utah und Nevada in kleinen, isolierten Beständen vor. Mit einem dokumentierten Alter von über 5000 Jahren ist Pinus longaeva der Rekordhalter der ältesten Einzelbäume weltweit.

Trockenheit als Jungbrunnen

Die ältesten Exemplare dieser Pinus-Art wurden bisher in den White Mountains im östlichen Kalifornien gefunden. Knochentrocken und ausnehmend hart ist das Klima in diesen Bergen und oft bilden die Methusalems die Waldgrenze auf über 3000 m ü. M., wo es im Winter eisig kalt wird. Trockenheit und Kälte scheinen der Langlebigen Kiefer nichts anzuhaben – als Sonnenanbeterin reagiert sie einzig auf Beschattung und Konkurrenz empfindlich. Wie bei der heimischen Arve sorgt auch hier ein Vogel für die Verbreitung der Samen («Arvennüsschen»). Der Kieferhäher versteckt die Samen als Wintervorräte, findet in den eisigen Monaten aber nicht alle Vorräte wieder. So sorgt er dafür, dass die Art immer neue Bergketten besiedeln kann. Das Berner Exemplar ist natürlich noch keine tausend Jahre alt, doch das hiesige Klima und die liebevolle Pflege scheint ihm gut zu bekommen.  

November: Wunderbeere (Synsepalum dulcificum (SCHUMACH. & THONN) DANIELL)

Wunderbeere (𝘚𝘺𝘯𝘴𝘦𝘱𝘢𝘭𝘶𝘮 𝘥𝘶𝘭𝘤𝘪𝘧𝘪𝘤𝘶𝘮)
Die leuchtend roten Beeren des westafrikanischen Baums, von denen man besser nicht ahnungslos nascht. Foto: Adrian Möhl

Die Nächte sind wieder lang geworden und der Botanische Garten flammt in den letzten leuchtenden Herbstfarben des Jahres auf. Es ist die Zeit, in der sich das Leben nach drinnen verlagert. Am Altenbergrain laden die Gewächshäuser mit ihren ungewohnt exotischen Pflanzenwelt zum Verweilen ein. Eine Welt voller Wunder und mittendrin steht eine, die das Wunder bereits im Namen hat: die Wunderbeere oder Mirakelfrucht.

Breiapfelgewächs aus Westafrika

Auf den ersten Blick mutet das Bäumchen beim Durchgang vom Palmenhaus zum Farnhauses nicht aussergewöhnlich an. Hübsche, breitlanzettliche Blätter und ein dichtes Laubwerk weisen auch viele andere Pflanzen der Tropen auf. Auch die purpurroten Beeren, die etwas an Kaffeekirschen erinnern, sind weiter nicht ungewöhnlich, wenn auch sehr schön im Kontrast zu den Blättern. Ein Blick auf das Schild verrät: Hier handelt es sich um die Wunderbeere, einem Breiapfelgewächs (Sapotaceae), das ursprünglich in Westafrika beheimatet ist. Heute wird die Art vielerorts in den Tropen kultiviert, was mit ihren geheimnisvollen Beeren zu tun hat…

Mirakelfrucht

Die roten Früchte von Synsepalum dulcificum enthalten eine Substanz, welche den Geschmacksinn kopfstehen lassen. Das sogenannte Miraculin, ein Glykoprotein, sorgt dafür, dass Saures als intensive Süsse wahrgenommen wird. Wer also das geschmacklose Fruchtfleisch der Wunderbeere gegessen hat, für den schmeckt Essig wie Sirup und Zitronen sind plötzlich zuckersüss. Aber Achtung, bevor das Bäumchen seiner Früchte beraubt wird: Der Effekt kann lange anhalten, und eine feine Tomatensuppe wird auch Stunden später zur üblen süssen Brühe. Bald schon wünscht man sich das ursprüngliche Geschmackempfinden zurück. Es wäre zudem schade, wenn andere Besucher:innen die schönen Früchte nicht auch entdecken könnten und das Pflücken von Pflanzen und Früchten im Botanischen Garten ist ohnehin untersagt. Wer die Wunderbeere unbedingt mal probieren möchte, kann sie für wenig Geld im Internet erstehen.

Oktober: Riesen-Speerblume (Doryanthes palmeri W.HILL EX BENTH)

Unter den riesigen Blättern der Speerblume fühlt man sich wie ein Zwerg Foto: Adrian Möhl

Vielleicht sollte der Botanische Garten im Oktober ein Wettbüro einrichten für seine Pflanze des Monats: Wird sie es schaffen, oder eben doch nicht? Die Zeichen stehen auf jeden Fall besser denn je, dass die Riesen-Speerblume (Doryanthes palmeri) erstmals in Bern blühen wird. Seit Jahren steht die prächtige Pflanze in ihrem Kübel und produziert wunderbare Blätter, doch mit ihren bizarren Blütenständen hat sie das Berner Publikum bisher nicht beglückt.

Unvergleichlich in jeder Hinsicht

Speerblumen gehören zu den ganz wuchtigen Erscheinungen der Pflanzenwelt und sind nur in Ostaustralien beheimatet. Lange bevor ein Portugiese die Art 1802 für die Wissenschaft erstmals formell beschrieb, war sie den Aborigines bestens bekannt und wurde ganz unterschiedlich genutzt. Während die Ureinwohner Australiens die faserigen Blätter vor allem zu Matten verwoben, rösteten sie die Wurzeln und Schösslinge, um sie geniessbar zu machen. Mit ihren bis zu 5 m langen Blütenständen und den 3 m langen Blättern sind Speerlilien, von denen es nur zwei Arten gibt, auffällig und beispiellos. Früher hatte man sie der Familie der Agavengewächse zugeordnet – heute haben sie ihre eigene Familie erhalten.  

Spiel mit dem Feuer

Aus verschiedenen Beobachtungen ist bekannt, dass Buschfeuer, wie sie in Australien regelmässig auftreten, das Blühen der Speerblumen auslösen können. Gebrannt hat es zwar am Altenbergrain nicht, aber der heisse Sommer scheint der Speerblume gut bekommen zu sein: Seit Anfang September bilden sich dicke Blütenstände und die Chancen für ein Blütenfestival stehen nach 20-jähriger Wartezeit gut. Die auffälligen roten Blüten werden in ihrer Heimat von Vögeln bestäubt. Zwar gibt es hierzulande keine Vogelbestäubung. Dennoch wäre es den Berner Vögeln – wie auch allen anderen Berner:innen – zu gönnen, dass die Riesen-Speerblume ihre Blütenstände diesen Oktober entfaltet.

September: Wollemie (Wollemia nobilis W.G.Jones, K.D.Hill & J.M.Allen)

Die Wollemie, hier mit weiblichen (oben) und männlichen Blütenständen (unten), ist in jeder Hinsicht ein ungewöhnlicher Baum – und fühlt sich im Evolutionsgarten sichtlich wohl. Foto: Adrian Möhl

Ob hinter dem exotisch anmutenden Bäumchen vielleicht ein Tyrannosaurus Rex lauert? Leicht kann zwischen Palmfarnen und Wollemie eine Jurassic-Park-Stimmung aufkommen. Falsch liegt man mit diesem Gefühl nicht, denn die Wollemie ist tatsächlich ein echter Dinosaurier aus der Pflanzenwelt.

Ein ungewöhnlicher Nadelbaum

Mit seinen langen, dunkelgrünen Nadeln, den hängenden männlichen und den büschelig-aufrechten weiblichen Zapfen wirkt die Wollemie schon sehr ungewöhnlich. Einhäusigkeit – männliche und weibliche Blüten auf einer Pflanzen gibt es zwar auch bei einheimischen Nadelbäumen, doch bei der Wollemie wirken sie besonders ungewöhnlich. Wer die Affenschwanzbäume (Araukarien) kennt, wird die verwandtschaftlichen Bande erkennen können. Die Araukarien gehören tatsächlich zu den nächsten noch lebenden Verwandten der Wollemien.

Im verlorenen Tal

Die Wollemie dürfte es eigentlich gar nicht mehr geben. Wie durch ein Wunder hat eine Gruppe von ca. 100 Bäumen in einem versteckten Canyon in den Blue Mountains in Ostaustralien überdauert. Früher war diese Art wohl einmal weit verbreitet. Eine ähnlich ausschauenden Art war vor über 90 Millionen Jahren in Australien weit verbreitet, ist heute aber nur noch als Versteinerung bekannt. Wie sehr sich die erst 1994 entdeckte Wollemie von dieser «versteinerten» Art unterscheidet, muss noch geklärt werden. Nach der sensationellen Entdeckung war es rasch ein Ziel, das lebendige Fossil gut zu schützen und zu vermehren. Interessanterweise ist die Vermehrung von Wollemien ausnehmend einfach und sie können sowohl über Samen als auch über Schösslinge vervielfacht werden. Seit 2005 ist auch der Botanische Garten Bern stolze Besitzerin von zwei Wollemien und pünktlich zur Fertigstellung des neuen Evolutionsgarten sind auch die interessanten Blütenstände zu sehen.

August: Wohlriechende Seerose (Nymphaea odorata AITON)

Wer würde ahnen, dass sie zu den ursprünglichsten Blütenpflanzen gehört? Nymphaea odorata beim amerikanischen Hochmoor.
Wer würde ahnen, dass sie zu den ursprünglichsten Blütenpflanzen gehört? Nymphaea odorata beim amerikanischen Hochmoor. Foto: Adrian Möhl

Der August ist Bademonat. Im Botanischen Garten ist er auch Seerosenmonat. Beides lässt sich wunderbar kombinieren – was nicht heisst, dass die Teiche und Tümpel zum Baden freigegeben sind! Ob im grossen Teich, dem Teich beim amerikanischen Hochmoor, im Evolutionsgarten oder im Herzen des Bauerngartens – wer im Hochsommer auf Seerosenjagd geht, wird am Altenbergrain fündig.

Die Schönste!

Die Blüten der Seerosen (Gattung Nymphaea) bestechen. Sie ziehen Bewunderer und Bestäuber gleichermassen an und standen Kunstschaffenden immer wieder Modell. Weltweit gibt es 65 Seerosen-Arten, und ausser der Antarktis hat jeder Kontinent seine Seerosen-Spezialitäten. Die Wohlriechende Seerose mag zu den schönsten gehören. Ihre stets aus dem Wasser ragenden Blütenköpfe wirken mit den zugespitzten Blütenblättern besonders elegant. Natürlicherweise kommt die Art in Nord- und Mittelamerika vor. Hier bei uns scheint es ihr im Teich des neugestalteten amerikanischen Hochmoors aber ebenfalls sehr gut zu gefallen. Ob sie tatsächlich die Schönste ist, findet man am besten auf einem Seerosenrundgang heraus. Ob sie, wie der Name nahelegt, auch besser duftet als andere Arten, ist ohne nasse Füsse kaum herauszufinden – ein Unterfangen, das man besser bleiben lässt.

Gischt der Tage

Seerosen gehören zu den ursprünglichsten Blütenpflanzen. Aus ästhetischer Sicht sind ihre Blüten ein gelungener Wurf. Vielleicht liegt es am speziellen Leben im Wasser, den hübschen Blüten oder an den besonderen Inhaltsstoffen – Seerosen haben Menschen schon immer fasziniert, und es ranken viele Märchen und Mythen um sie. Der französische Schriftsteller Boris Vian hat der Seerose 1946 sogar einen eigenen Roman mit dem Titel «L’écume des jours» (Die Gischt der Tage) gewidmet. Dieser liest sich im Schatten der grossen Bäume und mit Blick auf die verschiedenen Seerosen-Arten besonders gut.

Juli: Eisenholzbaum  (Metrosideros excelsa Sol. ex Gaertn.)

Rote Pinselblüten im schönen Kontrast zu den immergrünen Blätter des Eisenholzbaum.
Rote Pinselblüten im schönen Kontrast zu den immergrünen Blätter des Eisenholzbaum. Foto: Silvan Glauser

Weihnachtliche Gefühle, wenn unterhalb des Altenbergrains täglich hunderte von Schwimmenden die kühle Aare geniessen? Wer sich in diesen Tagen ins Gondwanahaus wagt und vielleicht sogar neuseeländische Wurzeln hat, könnte allerdings wirklich in Weihnachtsstimmung geraten…

Verkehrt und doch nicht

Pflanzen von der südlichen Hälfte des Erdballs passen sich in Mitteleuropa oft den hiesigen Jahreszeiten an. So blühen Kurztagspflanzen wie die Aloen bei uns im Winter, was im südlichen Afrika in etwa den Monaten Juni und Juli entspricht, dem Südwinter. Der Eisenbaum wiederum blüht dann, wenn die Tage am längsten. In seiner Heimat, der Nordinsel von Neuseeland, entspricht dies der Weihnachtszeit und er wird deshalb im Volksmund «New Zealand Christmas Tree», Neuseeländischer Weihnachtbaum, genannt. Die Hoffnung, dass sich der Berner Eisenholzbaum im neuen Gondwanahaus an seinen ursprünglichen Kalender erinnern würde, haben sich leider zerschlagen – pünktlich auf den nördlichen Mittsommer stand der Eisenholzbaum voller praller Knospen.

Methusalem mit hartem Holz

In diesen Tagen zieht es einen vielleicht weniger in die Glashäuser des botanischen Gartens, aber die neuseeländische Blütenpracht des Eisenholzbaumes sollte man sich nicht entgehen lassen. Typisch für Myrtengewächse locken seine farbigen Staubfäden verschiedene Bestäuber an. In seiner Heimat wird er wegen seines harten Holzes geschätzt und weil er äusserst langlebig ist (einige Exemplare wurden auf über 1000jährig datiert). Heute ziert er viele Strassen von Städten mit mildem Klima.

Wem es im Gondwanahaus zu heiss ist, kann in nächster Umgebung den Neuseeland-Freilandteil bewundern und dort viele Arten der neuseeländischen Inseln entdecken. Die eigentümliche Flora Neuseelands wird hier auf kleinstem Raum dargestellt. Falls dies noch immer nicht für eine Abkühlung reicht, bleibt immer noch der Sprung in die angenehm kühlende Aare.

Juni: Altai-Lauch (Allium altaicum PALL.)

Altai-Lauch (𝘈𝘭𝘭𝘪𝘶𝘮 𝘢𝘭𝘵𝘢𝘪𝘤𝘶𝘮 PALL.)
Zu schön zum Essen – der Altai-Lauch mit seinen auffällig röhrigen Stängeln blüht im Juni prächtig in der chinesischen Wiese, ganz zuunterst im Asienteil Foto: Adrian Möhl

Im Juni ist es in Bern am schönsten. Dies soll uns aber nicht hindern, eine kleine Asien-Reise zu unternehme, denn der etwas versteckte Asienteil hinter den grossen Schauhäusern im Botanischen Garten blüht im Moment ganz besonders vielfältig.

Asiatischer Blütenreigen

Nicht viele finden den Weg hinter das Palmenhaus und oft liegt der Asienteil in tiefer, wohltuender Ruhe. Hier duellieren sich im Juni duftende chinesische Ligusterarten mit Teppichen von rosafarbenen Nelken und leuchtend orangen Schisandrablüten. Nach der chinesischen Waldflora, den japanischen Blumenbeeten, der koreanischen Halbinsel und chinesischen Blumenwiese, erwartet einen inmitten der asiatischen Blütenpracht eine Art, die exotisch und vertraut zu gleich erscheint: der Altai-Lauch (Allium altaicum). 

Blütenmützen und dicke Stängel

Mit seinen röhrigen Stängeln und den weissen Blütenständen zieht der Altai-Lauch alle Blicke auf sich. Irgendwie erinnern die wunderbaren weissen Blütenmützen in ihrer ganzen Extravaganz an etwas, was wir aus dem Gemüsegarten kennen. Richtig! Wenn Zwiebel oder Knoblauch zur Blüte gelangen, sehen sie dem Altai-Lauch doch sehr ähnlich. Denn das Amaryllisgewächs ist mit der Küchenzwiebel nahe verwandt. Weltweit gibt es über 1000 Lauch-Arten und die meisten sind essbar, so auch der Altai-Lauch. Der Altai-Lauch wird seit langem kultiviert. Er ist mit dem Menschen aus seiner ursprünglichen Heimat in Zentral-Asien bis nach Europa gelangt. Besonders in Deutschland wurde er ab dem 18. Jahrhundert oft felderweise angebaut und ist dort als Kulturpflanze unter dem Namen Winter-Lauch bekannt. In der Schweiz wird er manchmal auch unter der Bezeichnung «Frühlingszwiebel» gehandelt - eine hervorragende Zutat für asiatische Gerichte.

Der Asiengarten bietet eine Palette von Fremdem, Unbekanntem und Aussergewöhnlichem. Hier kann das Fernweh gestillt werden, ohne lange und mühsame Flugreisen zu unternehmen. Für das Abendessen geht es dann natürlich in ein Berner China-Restaurant des Vertrauens.

Mai: Petterie (Petteria ramentacea (Sieber) C.Presl

Die dekorativen und duftenden Blüten der Petterie werden von Insekten bestäubt und bieten im Gegenzug Nektar an. Foto: Katja Rembold

Im Mai ist es endlich wieder soweit und die Petterie erblüht in voller Pracht. Ihr Name ehrt den altösterreichischen Geographen und Botaniker Franz Petter (1789–1858). Petteria ramentacea ist die einzige Art dieser Gattung und kommt natürlicherweise in Trockenwäldern auf der Balkanhalbinsel vor.
 

Familienbande

Der bis zu 2m hohe Strauch erinnert mit seinen zahlreichen gold-gelben Blüten auf den ersten Blick an einen Goldregen (Laburnum spp.), weshalb er auch oft als «Dalmatinischer Goldregen» bezeichnet wird. Tatsächlich haben sowohl Petterie als auch Goldregen leuchtend gelbe Schmetterlingsblüten, zarte, dreiteilige Blätter und gehören beide zur Familie der Schmetterlingsblütler (Fabaceae). Im Gegensatz zum Goldregen hat die Petterie allerdings aufrechte Blütenstände, während sie beim Goldregen herabhängen.

Ungeniessbare Pracht

Die Petterie wird aufgrund ihrer dekorativen und duftenden Blüten manchmal als Zierstrauch verwendet. Nach der Bestäubung durch Insekten bildet sie wie alle Schmetterlingsblütler Hülsenfrüchte aus, die jedoch nicht essbar sind. Besonders die unreifen Früchte und Blätter sind sogar giftig, da sie hohe Konzentrationen von Chinolizidin-Alkaloiden enthalten.

Verborgene Helfer

Auch unterirdisch hat die Petterie einiges zu bieten: Wie die meisten Schmetterlingsblütler lebt sie in Symbiose mit stickstofffixierenden Knöllchenbakterien (Rhizobien). Die Bakterien leben in speziellen Wurzelknöllchen, wo sie von der Pflanze mit Energie versorgt werden. Die Energie benötigen die Bakterien, um Stickstoff zu fixieren, wodurch sie gleichzeitig die Pflanze düngen. Dadurch können Schmetterlingsblütler auch auf sehr nährstoffarmen Böden wachsen und trotzdem ihre Samen grosszügig mit Proteinen ausstatten. Das macht sie zu wichtigen Nahrungspflanzen (z.B. Erbsen, Bohnen, Linsen) und Gründüngern.

April: Nebrodi-Tanne (Abies nebrodensis (LOJAC.) MATTEI)

Nebrodi-Tanne (Abies nebrodensis (LOJAC.) MATTEI)
Eine ausgewachsene Nebrodi-Tanne im Vallone degli Angeli in Sizilien. Ob das Exemplar im botanischen Garten auch einmal so gross werden wird? Foto: Adrian Möhl

Warum möchte man sich ausgerechnet im Blumenmonat April eine immergrüne Tanne anschauen? Nun, die Nebrodi-Tanne ist eben eine absolute Besonderheit und lädt zu einem Abstecher in die farbige Blumenwelt Siziliens ein.

Glück gehabt

Die Nebrodi-Tanne kann als einer der seltensten Bäume der Welt bezeichnet werden, und ihre natürlichen Vorkommen belaufen sich auf weniger als 30 Exemplare. Lange Zeit glaubte man sogar, die Art wäre völlig ausgestorben, bis sie eher zufällig in einem abgelegenen Tal in den Madonien auf Sizilien wiederentdeckt wurde. Dank einem gut koordinierten Nachzucht-Programm konnte die Art in Baumschulen vermehrt werden, und heute gibt es wieder mehrere tausend Nachkommen der letzten Überlebenden aus dem sizilianischen Hochtal. Einer dieser Abkömmlinge ist in sicherer Pflege im Botanischen Garten Bern.

Der Garten der Persephone

Die Nebrodi-Tanne kommt ausschliesslich auf Sizilien vor. «Tal der Engel», Vallone degli Angeli, heisst das verwunschene Tal in den Madonien, welche früher zu den Nebrodi-Bergen zählten – womit sich auch der Name dieser Tanne erklärt. Im April ist die Gegend ein Blumenparadies, wie man es sich kaum vorstellen kann: Zwerg-Schwertlilien duellieren sich mit Schleifenblumen, tausende Orchideen zieren die Wiesen und Weiden und aus den hellen Felswänden leuchtet es in allen Farben. Die griechische Mythologie ist auf Sizilien stark verankert, und die Griechen glaubten, dass die alljährliche Blumenpracht Persephone zu verdanken sei, die im Frühjahr aus der Unterwelt aufsteigen durfte und als Blumengöttin für den Blütenreigen verantwortlich war. Wer nicht bis nach Sizilien reisen mag, kann sich neben der Nebrodi-Tanne auch Persephones Garten am nahen Altenbergrain anschauen – im April blüht es im Mittelmeer-Garten unterhalb des Teichs und im Mittelmeerhaus ganz besonders farbig und wunderschön!

März: Schaftdolde (Hacquetia epipactis (SCOP.) DC)

Blüte der Schaftdolde (Hacquetia epipactis (SCOP.) DC)
Pünktlich auf den Märzanfang hat die Schaftdolde ihre ungewöhnlichen Blütenstände geöffnet. Nun leuchten die gelbgrünen Sterne wieder fröhlich in den Märzenhimmel. Foto: Adrian Möhl

Wenn nach den langen Wintermonaten im März die Farben ins Alpinum zurückkehren, so ist es immer ein besonderer Genuss, zwischen den Kalkbrocken und entlang der kleinen Wege die ersten Frühblüher zu suchen.

Die inoffizielle Inaugurationschefin

Ein Alpenveilchen macht noch lange keinen Frühling und auch den zahlreichen Krokussen, die nach milden Wintern jährlich früher erwachen, ist nicht zu trauen. Nur zu oft werden allzu Vorwitzige von eisigen Nächten oder spätem Schnee überrascht. Sie können es nicht besser wissen, denn in ihren südlichen Heimatsländern müssen sie mit solchen Widrigkeiten nicht rechnen. Zuverlässiger sind da die Aurikel (Primula auricula) oder die Hungerblümchen (Gattung Draba), Arten der Schweizer Alpen, die wissen, dass einem frühen Frühling mit einer gesunden Skepsis zu begegnen ist. Inoffizielle Eröffnerin des Frühlings im Alpinum ist die Schaftdolde (Hacquetia epipactis): Wenn sie im März ihre leuchtend grünlich-gelben Köpfchen der Frühlingssonne entgegenstreckt, so kann man davon ausgehen, dass sich der Winter verabschiedet hat oder höchstens noch auf einen Blitzbesuch zurückkommt.

Besonderheit der Südostalpen

Die Schaftdolde gehört der grossen Familie der Doldenblütler an und ist also mit Möhren, Fenchel & Co. verwandt. Die relativ kleinen und einfachen Dolden sind von auffälligen Hochblättern umgeben, welchen den Blütenstand zusätzlich attraktiv machen. In der Schweiz kommt die Schaftdolde wild nicht vor, wohl aber in Norditalien, Slowenien bis nach Kroatien, wo sie bis in die subalpine Stufe steigt und in lichten Wäldern anzutreffen ist. Ob man die kleinen Gesellen mit ihren sternförmigen Blütenständen attraktiv findet oder nicht, ist schliesslich Geschmacksache. Auf jeden Fall ist sie eine zuverlässige Frühlingsbotin – ein wahrer Lichtblick nach den düsteren Wintermonaten.

Februar: Bittere Aloe (Aloe ferox Mill)

 

Die gut bewehrten Blätter der Bitteren Aloe sind wichtige Wasserspeicher und enthalten viele bittere Substanzen. Foto: Adrian Möhl

Je kürzer die Tage, desto dicker die Blütenknospen: Die Aloen sind echte Winterblüher. Darum ist ein Besuch im Sukkulentenhaus im Februar ein besonderer Genuss.

Eine Spargelartige aus Südafrika

Die Bittere Aloe ist im südlichen Afrika weit verbreitet und eine typische Art des trockenen Buschlands und der Savannen. Wie alle Arten der grossen, 587 Arten umfassenden Gattung, gehört sie zu den Spargelartigen und ist folglich sowohl mit dem Gartenspargel als auch mit dem Drachenbaum verwandt. Alle Aloen stammen ursprünglich aus der Alten Welt, sind heute aber auch bis nach Nord-und Südamerika und Australien verschleppt worden. Anders als die ähnlich ausschauenden Agaven, welche in der Regel nach der Blüte absterben, blühen Aloen meist zuverlässig und alljährlich in den Wintermonaten.

Verkehrte Welt und schleimige Blätter

Die Aloe ferox ist wie viele Arten der Gattung ein typischer Winterblüher. In Südafrika blüht sie meist zwischen Juni und August, den Südwintermonaten. Transportiert man sie in die Nordhemisphäre, so verschiebt sich die Blütenpracht um rund sechs Monate. Als typische Kurztagpflanze reagiert sie nämlich auf die Tageslänge. Ihre Knospen bilden sich dann, wenn die Tage kürzer werden und nach der Wintersonnenwende entwickeln und entfalten sich die farbigen Blütenstände fertig. Mit ihren robusten, leuchtend orangen
oder scharlachroten Blüten zieht sie besonders Vögel an, welche sich an ihrem Nektar gütlich tun und die Pflanze gleichzeitig bestäuben.

Die wasserspeichernden Blätter enthalten einen Schleim, der kosmetisch genutzt werden kann. Fast berühmter ist der Blattsaft, welcher sehr bitter und stark abführend ist. Früher war der getrocknete Saft ein beliebtes Abführmittel. Weil die Wirkung aber sehr stark und die Dosierung nicht ganz einfach ist, findet er heute kaum mehr Anwendung.

Im Sukkulentenhaus blühen im Februar verschiedene Aloe-Arten. Man sollte sich den winterlichen Farbenzauber nicht entgehen lassen, bevor die Konkurrenz der einheimischen Frühblüher den südafrikanischen Winterzauber in den Schatten stellt.

Januar: Laternen- Banksie (Banksia ericifolia L.f.)

 

Die Blütenstände der Laternen-Banksie leuchten im Gondwanahaus im Australienteil. Foto: Silvan Glauser

Wenn die Farben im Januar die Schweiz eher trüb erscheinen lassen, sehnt man sich nach Buntheit, Blumen und frischem Grün. Im neuen Gondwanahaus findet sich all dies und eine leuchtende Laterne dazu: Jetzt strahlen die Blütenstände der Laternen-Banksien besonders schön!

Sir Joseph Banks an der Botany Bay

Banksien gehören zur Familie der Zuckerbuschgewächse, den Proteaceen. Die meisten Arten dieser typischen Gondwana-Familie finden sich in Australien. Ihren Namen verdanken sie dem britischen Botaniker Sir Joseph Banks, einem Wegbegleiter des berühmten Entdeckers James Cook. 1770 sammelte Banks die Laternen-Banksie in der Botany Bay bei Sidney und brachte einen Herbarbeleg dieser Art von seiner Weltreise nach Europa. Dort wurde sie von Carl Linnaeus dem Jüngeren beschrieben, welcher Banks auch gleich mit dem neuen Gattungsnamen Banksia für seine Verdienste ehrte. Cook wiederum benannte die Bucht bei Sidney «Botany Bay» weil seine Begleiter dort so viele spannende Pflanzen fanden – darunter auch die Laternen-Banksie.

Ein Honigtopf, aber nicht für jeden Garten

Banksien sind für ihre üppige Nektarproduktion bekannt. In ihrer Heimat sind sie deshalb für viele Tiere wichtige Nahrungsquellen. Zu den Bestäubern gehören dabei so ungewöhnliche Arten wie die Gelbfuss-Beutelmaus (ein Beuteltier und Verwandter des Kängurus) oder Mosaikschwanzratten, welche zu den Nagetieren gehören, sowie zahlreiche Vogelarten. Während die honigschleckenden Vierbeiner Banksien vor allem mit ihren Schnauzhaaren bestäuben, so erweisen sich Vögel auf der Nektarjagd mit ihren Schnäbeln als nicht weniger wertvolle Bestäuber.

In Australien ist die Laternen-Banksie eine geschätzte Gartenpflanze. Im harschen mittel-europäischen Klima ist die Haltung dieser Art schwierig und kann nur Leuten mit Wintergarten empfohlen werden. Viel einfacher ist es da, die bizarren Blütenstände in der Australienecke des Gondwanahaus zu geniessen – dort blühen sie fröhlich in den tristen Wintermonaten.