Trockenwiese und Klimawandel

Unilink, 2. Juni 2017 - Wie reagieren artenreiche Trockenwiesen auf den Klimawandel, was bedeutet er für die biologische Vielfalt in der Schweiz? Die Sommer werden laut den Klimamodellen heisser und trockener mit weniger Regen und mehr Schwankungen. Wie Wiesen- und Nutzpflanzen auf den Trockenstress reagieren, wird im Botanischen Garten in einem öffentlichen Experiment erforscht.

Es ist Nachmittag Ende Juni. Wer kann, hat sich in den Schatten oder ein klimatisiertes Büro verkrochen und träumt von der kühlen Aare. Über der Stadt herrscht brütende Hitze, über den umliegenden Wiesen und Feldern liegt Staub in der Luft. Vor gut einem Monat sah’s noch ganz anders aus, vor lauter Regen konnte man den Sommer kaum noch erwarten. Nun klettern die Temperaturen seit Tagen jeweils auf 30° Grad und geregnet hat es schon lange nicht mehr. So könnte ein Sommer Ende Jahrhundert im Schweizer Mittelland beginnen. Was bedeutet das für die Vegetation in den Wiesen und Feldern? Hat sich die biologische Vielfalt durch den Klimawandel verändert? Welche Pflanzen werden zukünftig bei uns wachsen? Was pflanzen unsere Enkelkinder in ihren Gärten und auf Feldern an?

Verlierer und Gewinner des Klimawandels

Für das 21. Jahrhundert sagen Klimamodelle für die Schweiz nicht nur um bis zu 4 oder 5 Grad wärmere Temperaturen voraus, vor allem im Sommer, sondern auch trockenere Sommer mit weniger Niederschlag und längeren Trockenperioden. Zudem nehmen die Wetterschwankungen zu, auch im Frühjahr und Herbst, so dass Spätfröste im Frühjahr, Herbststürme oder herbstliche Frühfröste häufiger werden. Wie reagiert unsere Pflanzenwelt auf den Klimawandel? Sind zum Beispiel arten- und blütenreiche Trockenwiesen besonders unempfindlich, weil sie bereits heute unter nährstoffarmen, warmen und an Wasser knappen Bedingungen vorkommen? Oder sind sie im Gegenteil besonders empfindlich, weil sie bereits heute im Klimastress sind? Wenn der Regen ausbleibt, verlangsamt sich in der Regel das Pflanzenwachstum. Werden alle Arten gleich reagieren, oder wird es Verlierer und Gewinner des Klimawandels geben? Und welche Rolle spielt die Nutzung der Wiesen durch den Menschen?

Eine intensivere und schnellere maschinelle Bearbeitung der Wiesen und Veränderungen der Landschaft, die die Ausbreitung von Samen verringern, haben die artenreichen Wiesen in den letzten Jahrzehnten allmählich verändert. Und jetzt kommt der Klimawandel dazu. Dabei zeigen Experimente, dass Arten, die ihre Samen früh produzieren, gegenüber solchen mit spät reifenden Samen im Vorteil sind, wenn es gilt, die nach einer längeren Trockenheit entstandenen Lücken wieder zu schliessen. So können sogar häufige Gräser, die das heutige Erscheinungsbild unserer Trockenrasen prägen, wie die «Aufrechte Trespe» mit ihren spät reifenden Samen, zu Klimaverlierern werden. Wissenschaftliche Experimente, die Klimaveränderungen simulieren, deuten darauf hin, dass sich die Vegetation durch den Klimawandel verändert.

Artenreichtum als Vorteil

Es gibt aber nicht nur Wiesen und nicht nur Pflanzen. Wie reagieren neben den Pflanzen die Tiere, Pilze und Einzeller auf den Klimawandel, wie Wälder, Äcker, Gärten, Feuchtgebiete, Gewässer, Ufer, oder steinige Hochgebirgslandschaften? Allgemein lässt sich beobachten, dass Arten sich in Richtung der Pole und in höhere Lagen verschieben. So werden neuerdings vermeintlich «südliche» Brutvogelarten am Bodensee beobachtet, gleichzeitig steigen Pflanzen und Tiere in den Alpen auf. Buche und Fichte sowie verschiedene Nutzpflanzen kommen im Mittelland der Schweiz im Sommer unter Druck, weil es ihnen zu heiss und trocken wird. Mehrere Insektenarten aus dem Mittelmeerraum haben sich in der Schweiz angesiedelt. Verpflanzungsexperimente des Instituts für Pflanzenwissenschaften und des Botanischen Gartens am Kilimanjaro und in den Alpen zeigen, dass tropische Bergpflanzen unter höheren Temperaturen leiden, dass es Pflanzen der Savanne bereits heute zu warm ist, und dass seltene und bedrohte Pflanzenarten deutlich schlechter mit Klimaveränderungen zurechtkommen als häufige.

Ob dagegen der beträchtliche Rückgang unserer einheimischen Insekten mit der Trockenheit zu tun hat oder nicht mit dem Klimawandel zusammenhängt, ist noch offen. Zu Pilzen und Einzellern sind unsere Kenntnisse noch viel unsicherer. Sehr interessant ist aber, dass in Experimenten vielfältigere Lebensgemeinschaften, also solche mit vielen verschiedenen Arten, besser mit Trockenheit oder Hitze umgehen können, als solche mit wenigen Arten. Dies spricht dafür, dass artenreichere Gemeinschaften besser auf den Klimawandel vorbereitet sind.

Den Wandel erlebbar machen

Von April bis Juli lädt der Botanische Garten zusammen mit dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung (OCCR) zu einem «öffentlichen Experiment» ein. Basierend auf einer Idee von Juanita Schläpfer (Zurich-Basel Plant Science Center) macht er damit auf anschauliche Weise und für ein breites Publikum erlebbar, was globale Klimamodelle auf lokaler Ebene für die Schweiz bedeuten. In zwei Gewächshäusern sowie einem Freilandbeet werden immer die gleiche Auswahl an Wiesen- und Nutzpflanzen angebaut, aber unter verschiedenen Temperatur- und Niederschlagsbedingen. Somit können die Besucherinnen und Besucher Tag für Tag mitverfolgen, wie unterschiedliche Wiesentypen und wichtige Nutzpflanzen auf zunehmende Trockenheit und Temperaturerhöhung reagieren.

 

Anne-Laure Junge, Co-Leiterin Kommunikation & Kultur des Botanischen Gartens der Universität Bern (BOGA)
Prof. Markus Fischer, Direktor des Instituts für Pflanzenwissenschaften (IPS) und des BOGA

PD Dr. Andreas Stampfli, Hochschule für Agrar-, Forst und Lebensmittelwissenschaften, Berner Fachhochschule (HAFL)

Rahmenprogramm Klimagarten

Neben dem Klimagarten wird auch im Rahmenprogramm des BOGA Forschung ganz nah erlebbar. Während Open-Air-Vorträgen erhält das Publikum Gelegenheit zum Fragen und Diskutieren und kann sich beim anschliessenden Apéro auch informell mit den Forschenden austauschen.

Die Vortragsreihe findet jeweils an Donnerstagabenden vom 8. Juni bis 20. Juli statt. Sie beginnt mit einer kleinen Vegetations- und Klimageschichte von Bern, um aufzuzeigen was uns vergangene Umweltveränderungen über die Vegetation der Zukunft verraten. Danach geht sie Fragen nach wie: Blühen Pflanzen bald im Winter? Wird es in Zukunft Palmen auf dem Matterhorn geben? Ändert sich unser Speisezettel? Welches sind die Zukunftsbaumarten in unseren Städten?

Weitere Infos: Open-air-Vortragsreihe Klimagarten