Pflanzengeschichten «Berauschende Pflanzen»

Beim Sport kann er auftreten. In der Arbeit und im Studium wird er von manchen als Hilfsmittel herbei­gezogen. Im Nachtleben ist er eher die Regel, und er gehört in allen ­Kulturen und Zeiten zum Menschen: der Rausch. Gleichzeitig ist der Konsum vieler Rauschmittel verboten – und der gesellschaftliche Umgang damit entsprechend herausfordernd. Zwischen November 2023 und Januar 2024 standen in den Kanälen der Universität Bern (Rausch-)Mittel im Zentrum und es wurde diskutiert, wie wissenschaftliche Erkenntnisse helfen können, die Herausforderungen im Umgang mit Rausch zu meistern. Zwischen November 2023 und Januar 2024 erschien wöchentlich ein kurzes Pflanzenporträt zu einer berauschenden Pflanze aus dem BOGA.

Berauschende Pflanzen im BOGA

C-A-F-F-E-E: Coffea arabica

Kaffeepflanze (Coffea arabica)
Foto: Adrian Möhl

Den Kanon mit der deutlichen Warnung haben wohl viele schon in der Grundschule gesungen. Dennoch ist Koffein das weltweit am meisten konsumierte Alkaloid und manch eine:r kann sich den Morgen ohne ein Tässchen Kaffee gar nicht vorstellen. Die Kaffeepflanze (Coffea arabica) gehört in die Familie der Rötegewächse, zu der auch die Färberpflanze Krapp oder der Waldmeister gehören. Einen Rausch vermag Koffein, der Hauptwirkstoff in den Kaffeebohnen, nicht wirklich zu verursachen. Es wirkt jedoch anregend und fördert die Konzentrationsfähigkeit. Anders als im Kinderlied besungen, belegen mehrere Metastudien, dass die positiven Eigenschaften von Kaffeekonsum die negativen eindeutig übertreffen.

Die Kaffeepflanze (Coffea arabica) ist im Farnhaus zu finden.

CocaCola & Co – Erythroxylum coca

Kokastrauch (Erythroxylum coca)
Foto: Adrian Möhl

Das ursprünglich CocaCola muss es wahrlich in sich gehabt haben: Neben Wein und Kolanüssen soll für die Produktion auch Kokain verwendet worden sein. Kokain ist ein Alkaloid aus den Blättern des Kokastrauches (Erythroxylum coca), das stark stimulierend und euphorisierend wirkt. Der Kokastrauch ist in den Anden weit verbreitet und gehört der pantropischen Familie der Rotholzgewächse (Erythroxlaceae) an. Das Kauen von Kokablättern ist in seiner Heimat seit Jahrhunderten verbreitet und hilft bei langen Bergwanderungen, Hunger und Erschöpfung zu bekämpfen. Erst mit der Aufbereitung der Droge Kokain(Hydrochlorid) ist das Alkaloid und damit auch die Pflanze nach und nach in Verruf geraten, da Kokain sehr stark süchtig macht.

Der Kokastrauch (Erythroxylum coca) ist wegen Diebstahls nicht mehr im öffentlichen Bereich zu finden.

Türen in eine andere Welt mit Lophophora williamsii

Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii)
Foto: Adrian Möhl

Der Name der Band «The Doors» stammt aus einem Gedicht des britischen Dichters William Blake, das folgende Zeile enthält: "If the doors of perception were cleansed everything would appear to man as it is, infinite.” Die Band wurde via Aldous Huxley auf das Gedicht aufmerksam. Dieser nannte sein Buch über Experimente mit dem Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii) «die Pforten der Wahrnehmung». Der kleine, unscheinbare Kaktus enthält den Wirkstoff Meskalin, der ähnliche Rauschzustände wie LSD hervorruft. Wer die Substanz zu sich nimmt, dem öffnen sich tatsächlich Türen zu einer Welt, die sonst verborgen ist.

Der Peyote-Kaktus (Lophophora williamsii) ist im Sukkulentenhaus zu finden.

Tequila sunrise mit Agave tequilana

Blaue Agave (𝘈𝘨𝘢𝘷𝘦 𝘵𝘦𝘲𝘶𝘪𝘭𝘢𝘯𝘢)
Foto: Adrian Möhl

Kaum ein Kater nimmt es mit einem Tequila-Kater auf. Dass Tequila berauschende Wirkung hat, kann nicht direkt auf die Blaue Agave (Agave tequilana) zurückgeführt werden, sondern vielmehr auf den hohen Alkoholgehalt. Echter Tequila wird aus dem Herz der Blauen Agave gewonnen, welches zunächst gegart und weiter zu Agavensirup verarbeitet wird. Dieser wird erst fermentiert und dann meist zweifach destilliert. Mit um die 40% Volumenprozent Alkohol kommt es beim Genuss schnell zu einem Rausch und in Mischgetränken, wie zum Beispiel einem Tequila sunrise, oft zu einem ausgewachsenen Kater am Folgetag.

Verschiedene Aloe-Arten finden sich im Sukkulentenhaus.

Crystal Meth und Mormonentee aus dem Meerträubchen – Ephedra sp.

Meerträubchen (𝘌𝘱𝘩𝘦𝘥𝘳𝘢 sp.)
Foto: Adrian Möhl

Die Gattung Ephedra ist faszinierend in jeder Hinsicht. Oberflächlich erinnert sie an Ginster oder Schachtelhalm. Sie gehört aber den Nacktsamern an und ist so näher mit Koniferen verwandt als mit den vorher genannten Gattungen. Die meisten Meerträubchen-Arten enthalten das Alkaloid Ephedrin, aus welchem die gefährliche Droge Crystal Meth synthetisiert werden kann. Ephedrin ist auch Bestandteil von vielen Medikamenten, wirkt stimulierend und appetithemmend, kann aber rasch zu Abhängigkeit führen. Mormonen, welchen der Konsum von Kaffee und Schwarztee untersagt ist, trinken einen Ephedra-Absud, auch als Mormonentee bekannt. Dieser weist oft sehr hohe Mengen an Ephedrin auf und wirkt durchaus sehr «anregend».

Verschiedene Ephedra-Arten finden sich im Steppenhaus, Alpinum (Wallis), Asien (Himalaja).

Götterspeise mit Wohltu-Effekt – Theobroma cacao

Kakao (𝘛𝘩𝘦𝘰𝘣𝘳𝘰𝘮𝘢 𝘤𝘢𝘤𝘢𝘰)
Foto: Adrian Möhl

Ein Schokoladenrausch kommt einem besonders im Winter entgegen, denn nun ist die Sehnsucht nach der dunklen Süsse meist grösser als in den heissen Sommermonaten. An einen wirklichen Rausch ist allerdings selbst nach einer ganzen Schachtel Pralinen oder einer Schoggiguetzli-Eskapade nicht zu denken, auch wenn das Alkaloid Theobromin des Kakaobaums (Theobroma cacao) durchaus eine psychoaktive, stimulierende Wirkung hat. Linné hat sich bei der Beschreibung des Bäumchens aus der Familie der Malvengewächse selber als Schleckmaul entlarvt, bedeutet doch Theobroma so viel wie «Speise der Götter». Dunkle Schokolade ist übrigens durchaus gesund und das darin enthaltene Theobromin wirkt mild und anhaltend anregend und stimmungsaufhellend.

Der Kakao (𝘛𝘩𝘦𝘰𝘣𝘳𝘰𝘮𝘢 𝘤𝘢𝘤𝘢𝘰) ist im Palmenhaus zu finden.

Gin & Tonic – Juniperus communis

Wacholder (𝘑𝘶𝘯𝘪𝘱𝘦𝘳𝘶𝘴 𝘤𝘰𝘮𝘮𝘶𝘯𝘪𝘴)
Foto: Adrian Möhl

Über die berauschende Wirkung von Gin & Tonic müssen nicht viele Worte verloren werden, wohl aber über den Wacholder (Juniperus communis), der diesem Getränk die einmalige Note gibt. Dabei wird Gin nicht etwa aus den «Wacholderbeeren» gebrannt, sondern diese werden nur als Würze verwendet. Als Basis für den Gin dient purer Alkohol, der meist aus Melasse gebrannt und mit verschiedenen Gewürzen versehen wird. Wichtigstes Aroma sind dabei die ätherischen Öle aus den fleischigen Zapfen des Wacholders, welche fälschlicherweise als Beeren bezeichnet werden. Diese sind für Menschen leicht giftig und sollten nicht in grossen Mengen eingenommen werden.

Der Wacholder (Juniperus communis) ist im Evolutionsgarten zu finden.

Hexensalbe und Walpurgisnacht mit dem Stechapfel – Datura stramonium

Stechapfel – 𝘋𝘢𝘵𝘶𝘳𝘢 𝘴𝘵𝘳𝘢𝘮𝘰𝘯𝘪𝘶𝘮
Stechapfel – 𝘋𝘢𝘵𝘶𝘳𝘢 𝘴𝘵𝘳𝘢𝘮𝘰𝘯𝘪𝘶𝘮 Foto: Adrian Möhl

Der Name ist hier Programm, denn die Frucht dieses Nachtschattengewächses ist tatsächlich rund wie ein Apfel und mit vielen wehrhaften Stacheln besetzt. Er ist nicht nur ausserordentlich giftig, sondern oft auch Bestandteil von sogenannten Hexensalben. Der Alkaloidcocktail von Stechapfel, Alraune und Tollkirsche in diesen Salben wirkt stark berauschend und soll unter anderem das Gefühl zu fliegen vermitteln. So könnte die niedliche Kleine Hexe aus Ottfried Preusslers Romanen unter Umständen nur einem Drogenrausch aus Nachtschattengewächsen unterlegen sein.

Der Stechapfel (𝘋𝘢𝘵𝘶𝘳𝘢 𝘴𝘵𝘳𝘢𝘮𝘰𝘯𝘪𝘶𝘮) ist im Heilpflanzengarten (Alkaloide) zu finden.

 

Die Grüne Fee alias Artemisia absinthium

Echter Wermut (𝘈𝘳𝘵𝘦𝘮𝘪𝘴𝘪𝘢 𝘢𝘣𝘴𝘪𝘯𝘵𝘩𝘪𝘶𝘮)
Echter Wermut (𝘈𝘳𝘵𝘦𝘮𝘪𝘴𝘪𝘢 𝘢𝘣𝘴𝘪𝘯𝘵𝘩𝘪𝘶𝘮) Foto: Adrian Möhl

In der Schweiz ist der Echte Wermut (Artemisia absinthium) tief mit dem Val-de-Travers verbunden, auch wenn es nördlich der Alpen kaum natürliche Vorkommen von Artemisia absinthium gibt. Absinth, ein Wermut-Alkohol, der manchmal auch «Grüne Fee» genannt wird, war in der Schweiz aufgrund des Thujon-Gehalts während langer Zeit verboten. Thujon ist ein Bestandteil von ätherischen Ölen der Pflanze und ein Nervengift. Es führt zu Halluzinationen und Wahnvorstellungen. Gerade deshalb waren Wermut-Spirituosen besonders bei der Pariser Künstlerelite des späten 19. Jahrhunderts sehr beliebt. Seit 2005 ist Absinth in der Schweiz wieder legal, allerdings nur mit geringem Thujon-Gehalt.

Der Echte Wermut (Artemisia absinthium) ist im Alpinum (Wallis) zu finden.

Wunderbeere – Synsepalum dulcificum

Wunderbeere (𝘚𝘺𝘯𝘴𝘦𝘱𝘢𝘭𝘶𝘮 𝘥𝘶𝘭𝘤𝘪𝘧𝘪𝘤𝘶𝘮)
Wunderbeere (𝘚𝘺𝘯𝘴𝘦𝘱𝘢𝘭𝘶𝘮 𝘥𝘶𝘭𝘤𝘪𝘧𝘪𝘤𝘶𝘮) Foto: Adrian Möhl

Die Wunderbeere stellt zwar nicht die Psyche auf den Kopf, wohl aber das Geschmacksempfinden. Beim Menschen sorgt das neutral schmeckende Fruchtfleisch von Synsepalum dulcificum dafür, dass Saures plötzlich zuckersüss schmeckt. Dafür verantwortlich ist das Glykoprotein Mirakulin. So kann genussvoll in eine Zitrone gebissen werden, als sei es eine süsse Dattel und Essig schmeckt wie Sirup. So plötzlich, wie die Geschmacksumkehrung gekommen ist, so schnell verschwindet sie oft leider nicht und manch eine:r wünscht sich bald wieder die normale Geschmacksempfindung zurück…

Die Wunderbeere (Synsepalum dulcificum) ist im Farnhaus zu finden

Die Wunderbeere ist die Pflanze des Monats November 2023

Smoke in your eyes mit Nicotiana tabacum

Tabakpflanze (Nicotiana tabacum)
Tabakpflanze (𝘕𝘪𝘤𝘰𝘵𝘪𝘢𝘯𝘢 𝘵𝘢𝘣𝘢𝘤𝘶𝘮) Foto: Adrian Möhl

Eigentlich reichert die Tabakpflanze (Nicotiana tabacum) ihre Blätter mit dem Alkaloid Nikotin an, um sich Fressfeinde vom Leibe zu halten. In Mittelamerika war der rituelle Konsum von Tabak bereits weit verbreitet, als Kolumbus Nikotin zum ersten Mal von den Maya angeboten bekam. Die ersten Samen der Tabakpflanze gelangten 1560 nach Europa. Einen wirklichen Rausch verursacht das Nervengift Nikotin nicht, jedoch wirkt es in geringen Mengen anregend und fördert die Aufmerksamkeit. Angeblich soll auch die Ausdauer mit Nikotin gesteigert werden können. Sicher ist aber, dass der Tabakkonsum relativ stark abhängig macht.

Die Tabakpflanze (Nicotiana tabacum) ist im Heilpflanzengarten zu finden.

Wildes Bier der Wikinger – Ledum palustre

Sumpfporst (𝘓𝘦𝘥𝘶𝘮 𝘱𝘢𝘭𝘶𝘴𝘵𝘳𝘦)
Sumpfporst (𝘓𝘦𝘥𝘶𝘮 𝘱𝘢𝘭𝘶𝘴𝘵𝘳𝘦) Foto: Adrian Möhl

Eine wild berauschende Pflanze ist der Sumpfporst (Ledum palustre) aus der Familie der Erikagewächse und ein naher Verwandter der Alpenrose. Angeblich soll schon ein längerer Aufenthalt im Sumpfporst-Bestand zu rauschartigen Zuständen führen. Früher wurden der stark nach Kampfer riechenden Pflanze verschiedene medizinische Wirkungen zugeschrieben und wegen ihrer berauschender Wirkung soll sie zu rituellen Handlungen benutzt worden sein. Das Bier der Wikinger soll mit den Blättern dieser hübschen Art versetzt worden sein und das so gewürzte Bier soll für die berühmte Wut der «wilden Männer» verantwortlich gewesen sein.

Der Sumpfporst (Ledum palustre) ist im Alpinum zu finden.